Werner Klemke hatte, es war Ende der 60er Jahre, einen Preis gestiftet. Der hieß „Preis für Berlinisches Denken und Sprechen“ oder auch „Werner-Klemke-Preis für Berlinische Sprachpflege“. Er war mit 50,- Mark dotiert. Es gab nur zwei Preisträger, das waren der Schauspieler Ernst Kahler und der Satiriker Lothar Kusche.
Das Berlinische war Klemke insofern wichtig, als er darin eine Geisteshaltung sah. Deshalb war er stolz darauf, ein in Berlin Geborener zu sein, ein waschechter sozusagen. Jedoch sein Freund Lothar Kusche, der Satiriker, machte ihn hinterlistigerweise darauf aufmerksam, dass Weißensee erst seit 1920 zu Berlin, zu Groß-Berlin gehörte.
Doch die amtlichen Dokumente deuten auf eine Grauzone.

Laut Stamm- und Merkbuch der Familie Klemke, herausgegeben 1910 und vorzulegen bei allen standesamtlichen Angelegenheiten, ist die Geburt des Klemke, Werner Ernst Walter am 12.März 1917 mit dem Siegel des Königlich-Preußischen Standesamtes Berlin-Weißensee bestätigt worden.
Lothar Kusche war Klemke zeitlebens freundschaftlich verbunden. Unser Vater erzählte, dass Kusche in den frühen 50ern eine satirische Berlin-Serie (für die Zeitung, für den Rundfunk? …hab ich vergessen) geschrieben hatte, in der ständig eine bärbeißige Portier‘sche, also eine Art Hausmeisterin, auftrat, die auf den Namen „die Klemke“ hörte. Damit hatte es sich Kusche mit unserer Oma Agnes gründlich verscherzt. Mein Vater konnte zwischen den Beiden nie mehr wirklich vermitteln, fand aber die Serie wohl recht lustig.
Oma Agnes war gar keine Portiersfrau, sie war Wäscherin und mein Großvater Adolf war Tischler, genauer Tischler-Geselle. Die Klemke-Söhne Egon und Werner sollten bei Frage nach Vaters Beruf sagen, er wäre Tischler-Meister. Für eine Meisterprüfung fehlte es aber an Geld. Geld fehlte damals immer in der Familie. Der Standardsatz beider Klemke-Söhne, zum Einkaufen geschickt, lautete: „Mama bezahlt nachher!“ Mein Vater hat diesen Satz gehasst und nie vergessen.

Werner Klemke ist in einer Tischlerei und auf der Weißenseer Sedanstraße aufgewachsen. Der Straßenname sprach sich in Berlin so, wie man schreibt, mit Betonung auf dem E und nicht etwa in Französisch. In Berlin nennt man die Chodowieckistraße ja auch Schododowikistraße und Nikolskoe heißt Nikolskö und nicht Nikolskoje.
Mein Großvater Adolf starb schon 1937.

Als unsere Oma Agnes starb, 1963, hinterließ sie ihrem Sohn nur das, was in eine kleine Kiste passte.